Gebirgsjaeger als Fallschirmspringer nach Narvik

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1.GD Blumenteufel
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Gebirgsjaeger als Fallschirmspringer nach Narvik

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Auf dem Hoehepunkt der Kaempfe um Narvik konnte die dringende benoetigte Verstaerkung an Soldaten auf dem See- und Landweg nicht herangebracht werden.
Das Thema wurde ja indirekt in dem Beitrag ”Edelweissabzeichen” angeschnitten und ich habe mal etwas recherchiert. Die ausfuehrlichste Beschreibung dazu habe ich in dem Buch ”Es war ein Edelweiss”, Schicksal und Weg der 2. GD, von Leopold Stocker, 1962, gefunden.

Die Sorge um das Schicksal unserer in Narvik kaempfenden Kameraden wuchs von Tag zu Tag. Mit der ihm eigenen Hartnaeckigkeit verfolgte Churchill sein Ziel, Narvik zu erobern. Bisher hatte der tiefe Schnee, der weitum das Gelaende bedeckte, Angriffe der Allierten unmoeglich gemacht. Anfang Mai trat Tauwetter ein. Die Allierten entschlossen sich sogleich, nun den entscheidenden Stoss gegen die zahlenmaessig weit unterlegenen deutschen Kraefte zu fuehren. Es gelang ihnen, das noerdlich von Narvik gelegene Bjerkvik zu nehmen.

Landungsversuche in Narvik selbst wurden abgewiesen. Englische Kriegsschiffe stiessen in den Rombakenfjord vor und griffen wirkungsvoll in die Kampfhandlungen ein.

Es war klar, dass die Gruppe Dietl nur auf dem Luftwege verstaerkt werden konnte. Am 9. Mai erhielt das Salzburger Regiment Befehl, zwei Fallschirmjaegerkompanien fuer Narvik aufzustellen, die aus Freiwilligen gebildet werden sollten. Soviele meldeten sich, dass es schwer war, eine Auswahl unter den Freiwilligen zu treffen. Nach 10-taegiger Ausbildung am Fallschirm sprangen diese Freiwilligen am 23. Mai ueber Narvik ab und griffen sogleich in die Kaempfe mit ein. General Dietl gab am 3. Juni an den Komandeur des G.J.Reg. 137, Oberstleutnant von Hengl, folgenden Funkspruch durch:
”In der Zeit vom 23. – 25. Mai trafen unter Fuehrung von Oberleutnant Schwaiger und Oberleutnant Rieger die beiden Kompanien, die sich freiwillig dazu gemeldet hatten, durch Fallschirmabsprung im Raume von Narvik ein. Der Absprung der tapferen Jaeger gelang trotz der kurzen Ausbildung und trotz der Schwierigkeiten des hiesigen Gelaendes vorzueglich. Fuehrer und Mannschaften, die in bester Stimmung eintrafen, machten einen hervorragenden Eindruck. Die beiden Kompanien mussten in Folge der aeussert kritischen Lage sogleich an den Brennpunkten der Front bei Narvik eingesetzt werden. Leider haben sie dabei schwere Verluste erlitten. Oberleutnant Schwaiger und Oberleutnant Rieger sind nach tapferstem Kampfe gegen den weitueberlegenen Feind gefallen. Von Unteroffizieren und Mannschaften ist ein Drittel gefallen, verwundet oder gefangen. Die Gruppe Narvik dankt dem Nachbarregiment fuer die Treue Waffenbruederschaft und die kameradschaftliche Hilfe.”

Wie sich spaeter herausstellte, war die Nachricht, dass Oberleutnant Rieger bei den Kaempfen um Narvik gefallen sei, unrichtig. Was Hermann Rieger damals erlebt hat, ist wohl eines der ungewoehnlichsten Schicksale dieses Krieges:
Bei der Aufstellung der Narvikfreiwilligen hatte es geheissen: ”Verheiratete scheiden aus.” Leider – ja, in diesem leider, hat Rieger gerade vor kurzem geheiratet. Doch er versucht alles, um trotzdem mitzukommen. Aber es gibt in der Division viele junge Offiziere, die noch ledig sind und auch mitkommen moechten. Doch Rieger, mit Leib und Seele Soldat, setzt sich durch. Sein schaerfster Konkurrent ist Oberleutnant Erich Schwaiger, sein bester Freund, der zugleich mit ihm vor 3 Jahren an der Militaerakademie in Wiener Neustadt zum Leutnant ausgemustert worden ist. Und Schwaiger ist noch ledig. Die beiden geraten heftig aneinander, denn jeder meint, es wurde nur eine einzige Kompanie fuer Narvik aufgestellt und die haette er zu fuehren.

Umso zufriedener sind die beiden, als sie erfahren, dass 2 Kompanien aufgestellt werden, sodass die beiden Freunde diesen Einsatz gemeinsam erleben koennen. Fahrt nach Trondheim. Von dort – zurueckgeflogen nach Oslo. Es ist der erste Flug, und das Wetter ist miserabel. Von den 123 Mann kotzen fast alle den Stahlhelm voll. Ihm selbst geht es dabei besser. Weiter nach Koppenhagen, zurueck nach Deutschland.

In der Fallschirmjaegerschule Wittstock schaerfste Ausbildung. Der erste Absprung! Durch die offene Tuer der ”Ju” sieht man unten das Land vorbeisausen. Der Unteroffizier, der die Springer ablaesst, klopft jedem, der an der Reihe ist, auf die Schulter. Meistens genuegt das nicht, und er muss dem einzelnen einen kraeftigen Tritt geben, manchen 2 Tritte. Am Schluss dieses Tages ist dieser Unteroffizier der einzige, der krumm geht, sosehr hat ihn das ”Hinaustreten” angestrengt.

Der erste Augenblick des Hinausfliegens ist abscheulich. Doch sobald sich der Fallschirm oeffnet, wird es schoen. Die Gebirgsjaeger jodeln sich in der Luft zu. Der erste Sprung aus 240 m Hoehe geht auf gepfluegten Acker, der zweite aus 200 m auf Rasen. Immer naeher, immer haerter geht es an den Boden heran. Sechs Tage lang wird hart auf hart trainiert. Aber sechs Tage bedeuten fuer Narvik viel. Inzwischen kann dort oben die Entscheidung bereits gefallen sein. Endlich, am 24. Mai – es ist Riegers 28. Geburtstag – geht es los.

Flug zurueck nach Norwegen. Herrlich! Auf dem Flugplatz Værnes bei Trondheim ”umsteigen”. In die Fernstrecken-Ju. Und nun im Flug ueber jene ueblen 850 km hinweg, die Trondheim von Narvik trennen. Ein wunderbares Bild: Berge, Fjorde, Gletscher , ein Zauberland! Absprung aus 140 m Hoehe ueber Bjørnefjell – hart an der schwedischen Grenze. Schlechteste Bedingungen: von oben drueckt der Wind, unten Fels, Bahngleise, Draehte. Rieger springt als erster, die anderen 12, die mit ihm in der Ju verpackt worden sind, hinter ihm drein. 40 m ueber Schnee und Felsplatten geschleift – aber nicht einmal Hautabschuerfungen! Gelernt ist gelernt! Meldung bei General Dietl. ”Rieger, i bin ja so froh, dass ihr kemmts. I brauch euch so notwendig wie das taegliche Brot.” Von den 123 Mann seiner Kompanie sind beim Absprung nur 3 verletzt worden. Am 26. Mai nachts Anmarsch entlang er Erzbahn nach Narvik. Vorne steht schon Erich Schwaiger, der schon vorher abgespungen ist, mit seiner Kompanie. Es geht hart auf hart.

Rieger geht mit seinen Leuten ueber den Beisfjord nach Ankenes, das Narvik gegenueberliegt, und meldet sich bei Hauptmann Salzer. Schwere britische Schiffseinheiten feuern auf die deutschen Stellungen. Gegenueber liegen Polen, Rieger greift, wie befohlen, die Hoehe 295 an, wirft die Polen zurueck, erobert einen Gefechtsstand mit Karten, Plaenen, Befehlen. Gleichzeitig aber sieht er wie drueben in Narvik die Franzosen landen und, von Schiffsartillerie unterstuetzt, gegen die Stadt vordringen. Inzwischen haben sich die Polen wieder gesammelt, greifen von neuem an. Rieger wehrt sich, solange er kann, jagt die letzten Gurte aus dem Maschinengewehr. Er hat nur mehr ein paar Mann um sich. Mit einem Boot versucht er an das andere Ufer zu kommen. Die Polen schiessen auf das Boot. Garben zischen ringsum ins Wasser. Zwei Mann fallen, die anderen versuchen, an das Ufer zu schwimmen. Rieger paddelt allein weiter. Die Polen schiessen Scheibe auf ihn. Da spielt er den Getroffenen, bricht vornueber zusammen, laesst sich im Boot treiben. Die Polen stellen das Feuer ein.

Als er ca. 1.000 m von den Polen entfernt ist, paddelt er wieder, erreicht das Ufer, springt an Land, rennt vorwaerts – einer franzoesischen Kolonne in die Arme. ”Allemand!” Fuenf Franzosen richten ihre Gewehre auf ihn. Es ist alles vergeblich. Er ist gefangen und wird nach Frankreich gebracht. Mit Handschellen gefesselt, vom Poebel bespien, treibt man ihn durch die Stadt Brest. Aber die Schlacht um Frankreich ist bereits in vollem Gange. Am 23. Juni, genau einen Monat nachdem er sich als Freiwilliger fuer Narvik gemeldet hat, steht ploetzlich ein deutscher Unteroffizier in der Tuere der Kaserne, inder man ihn eingekerkert hat. Frei!

Dies ist wohl der einzige Fall in der Geschichte dieses Krieges, beidem ein Narvikkaempfer noch den Frankreichfeldzug miterlebt hat. Waffenstillstand. Rieger kommt nach Salzburg zurueck. Auf dem Bahnhof starrt ihn ein Gefreiter seiner Ausbildungskompanie erschrocken in das Gesicht. ”Herr Oberleutnant sind ja laut gestrigem Regimentsbericht tot.” Nur ein Glueck, dass man das seiner jungen Frau noch verschwiegen hat. So kann er dieser selbst beweisen, dass er noch am Leben ist.

Eine wahre Begebenheit am Rande u. a. aus dem Buch: Generaloberst Dietl, von Franz Kurowski:

Als die ersten Gebirgsjaeger mit Fallschirm ostwaerts Narvik abgesetzt wurden, landete einer der Maenner mit seinem Fallschirm in einem See. Bereitstehende Marinetrupps holten ihn mit einem Boot aus dem Wasser. General Dietl, der hinzukam, wandte sich an den Mann: ”Ja, Kerl, wia kimmst du daher?” Der Gebirgsjaeger, nicht auf den Mund gefallen, erwiderte: ”Mit Hilfe der 3 Wehrmachtsteile, Herr General. Das Heer schickt mi rauf, die Luftwaffe transportiert mi, und die Marine ziagt mi aus`m Wasser!”

mfg Arnulf
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