Seeloewe und die 1.Gebirgsdivision als Speerspitze

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1.GD Blumenteufel
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Seeloewe und die 1.Gebirgsdivision als Speerspitze

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Titel: Unternehmen Seeloewe und die 1. GD als Speerspitze


Die 1. GD war u. a. auch als Speerspitze bei der geplanten Invasion von England vorgesehen. Ich denke, dass das ein recht unbekanntes Kapittel betreffend der Geschichte der Gebirgstruppe ist. Nachfolgend ein Auszug aus dem Buch: ”Lebensbilder eines Gebirgsjaegers” von Michl Poessinger.

Bald nach Ende des Frankreichfeldzuges bekamen wir mitten im Sommer 1940 unser naechstes Angriffsziel gestellt – nicht weniger als England, dem Beherrscher der Weltmeere. Es war uns aber von vorne herein klar, dass das nicht so leicht zu erreichen sein wuerde wie die vorausgegangenen. Aus einem geplanten Triumphzug der deutschen Truppen durch London wie zuvor durch Wien, Warschau und Paris sollte nichts werden.

Als Voraussetzung fuer einen Sieg ueber England musste erst deren Lufthoheit gebrochen werden, und die Bodentruppen wurden inzwischen auf den Tag X, die Invasion, vorbereitet. Wir Gebirgsjaeger von der 1. GD lagen an der Kanalkueste bei Calais. Neben anderen waren dort auch die Jagdgeschwader 26 und 27 unter Fuehrung der Jagdflieger – Asse, Werner Moelders und Adolf Gallant, die von hier aus ihre Luftangriffe gegen die Insel flogen. Die Gebirgsjaeger und andere Einheiten uebten inzwischen die geplante Landung. Bei diesem Unternehmen ”Seeloewe” hatte ich die Aufgabe, unsere Panzer-Jaeger fuer dieses Vorhaben auszubilden. Wir, die Jaeger der 1. Gebirgsdivision, sollten die erste Angriffswelle auf die Calais gegenueberliegende Steilkueste bilden. Ausgerechnet bei dem geschichtstraechtigen Ort Hastings, von wo aus sich 1066 sich Wilhelm der Eroberer die Insel unterworfen hatte, sollten wir an Land gegen und es ihm gleichtun. Alle unter diesen Umstaenden einsetzbaren Waffen, wie die leichten Gebirgsgeschuetze, Granatwerfer und die 3,7er Pak-Geschuetze sollten bei der Landung in den grossen Pionierschlauchbooten mitgefuehrt werden.

Immer wieder fuhren wir mit sogen. Praehmen aufs Meer hinaus. Wenn wir weit genug draussen waren, wurden die darauf mitgefuehrten Schlauchboote mit einer Art Kran von Deck aus wie Rettungsboote aufs Wasser gesetzt. Wir sprangen dann jedesmal in die schaukelnden Untersaetze, in denen wir die Geschuetze zuvor schon festgezurrt hatten. Aus ungefaehr 2 – 3 Seemeilen Entfernung mussten wir die Boote mit ihrer schweren Last dann wieder zur Kueste zurueckrudern und die Landung simulieren. Schnellboote der Kriegsmarine umkreisten uns dabei und hatten darauf zu achten, dass uns keine englischen Boote die Luft aus unseren Schlauchbooten liessen. Ans Klettern im harten Fels gewohnt, war diese wackelige Art der Kriegsfuehrung fuer uns Gebirgsjaeger ziemlich unangenehm. Sobald wir landen konnten und endlich wieder festen Boden unter den Fuessen hatten, mussten wir die Geschuetze in Stellung bringen und die Steilkueste hochsteigen – die selbe Aktion haben dann unter umgekehrten Vorzeichen 2 Jahre spaeter an gleicher Stelle die Alliierten durchgefuehrt.

Das Einnehmen der Kueste unter Feuerdeckung von Land aus wurde geuebt und immer wieder geuebt, bis man den kuehnen Plan aufgab, weil der Kampf um die Lufthoheit ueber den Aermelkanal und das suedliche England nicht gewonnen werden konnte. Ausserdem hatte England immer noch die Seehoheit und wir auch gar nicht genuegend Schiffsraum zur Verfrachtung der Landetruppen. Dabei lag das Ziel manchmal scheinbar so greifbar nahe. Wenn die Luft klar war, konnte man die nur 38 km entfernten Kreideklippen von Dover und die helle Kuestenlinie von unserem Uebungsgelaende aus mit blossem Auge sehen. Wir hatten auch Fotos und Karten, auf denen genau eingezeichnet war, wie es dort im einelnen aussah und wo wir an Land gehen konnten. Im Herbst 40 wurde die Utopie “Seeloewe” abgeblasen und ein anderes militaerisches Ziel ins Auge gefasst.

Ergaenzend dazu der Bericht von Emil Klein, 1. GD:

Mit der 2./98 lag ich im Juni 1940 in einem kleinen franzoesischen Dorf, in Vaudringham. Es war sehr geeignet fuer die Unterbringung unserer Maultiere und das war bei der Quartiersuche ja die Hauptsache. Von dort aus marschierten wir woechentlich 1 – 2 mal an die Kanalkueste nach Wimmereux, gegenueber von Dover. Es waren stets ca. 40 km hin und die selbe Strecke zurueck. In den Augusttagen auf den heissen und daher oft weichen franzoesichen Asfaltstrassen war dies oft ein wahrer “Schlauch” und die Fuesse brannten.

Am fruehen Morgen gings dann Richtung Kanalkueste nach Cap Gries Nez zu unserem Uebungsgelaende. Das Unternehmen, wozu wir uns vorbereiten sollten, hatte das Codewort “Seeloewe”. Ziel war das uebersetzen von Truppen und Material ueber den Kanal und ueberwinden der englischen Steilkueste bei Dover. Die franzoesiche Steilkueste bei Cap Gries Nez war unser Uebungsgelaende. Die Felswaende waren ca. 80 m hoch und die Kreidefelsen wenig griffig. Wir konnten ja nicht erwarten, dass uns die Englaender hochziehen wuerden. Also gab es muehsame Klettereien mit Seilen und Sicherungen vom Boden aus. Kameraden sassen unterdessen in Schlauchbooten auf dem Wasser und leisteten Feuerschutz. Oft wurden wir auch auf Schiffen verschiedener Bauart aufs Meer hinausgefahren. Wir sprangen dann von der hohen Reling in unsere Schlauchboote und uebten den Angriff gegen die Kueste. Das schwierigste war dabei, Material und Munition die Felswaende hochzubringen. Unsere Mulis hatten Ruhepause, hier konnten wir sie kaum einsetzen. Als Ersatz wurden im Eigenbau sog. Karetten hergestellt. Das Material dazu holten sich die Kompanien aus den in der Naehe gelegenen Beutelagern, die an der Kueste genuegend vorhanden waren. Oberhalb der Steilkueste schoben wir dann oft verzweifelte Spaehtrupps, weil wir die Richtung und die Spuren im Duenensand verloren hatten.

Ich muss sagen, unser Vertrauen zu diesem ganzen Vorhaben war trotz allem Optimismus gering. Sollte es wirklich durchgefuehrt werden, erwarteten wir eine ganz grosse Unterstuetzung durch die Luftwaffe und die Kriegsmarine. Freilich wurden unsere Vorbereitungen auch oft genug von englischen Flugzeugen gestoert.

Wir lernten schiessen auf Schlingerstaenden und wussten oft nicht mehr, waren wir nun Jaeger oder Matrosen. Mit den Matrosen der Kriegsmarine in Wimereux hatten wir jedenfalls ein gutes kameradschaftliches Verhaeltnis. Die Stimmung in unserer Einheit war immer gut und mit gespannter Erwartung sahen wir den Ereignissen entgegen, die da kommen sollten. Doch ploetzlich hiess es rundum, das wir nach Suedfrankreich verlegt werden sollten. Waren es wie so oft Geruechte oder war das Unternehmen “Seeloewe” abgeblasen oder verschoben worden ? Ich konnte alles nur aus der Sicht des einfachen Jaegers beurteilen, und da kam nicht viel dabei heraus. Es dauerte nicht lange, dann wurden wir in Gueterwagen verladen und es ging eines Tages von Nord- nach Suedfrankreich
mit freundlichem Gruss
Arnulf
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